Das ist bei mir eigentlich nichts Neues. Ich habe ständig Angst. Sei es vor der ungeklärten Frage, ob die Milch, die ich eben getrunken habe, noch gut war, auch wenn ich vorher das Ablaufdatum gecheckt habe, oder davor, dass mir beim Niesen Gehirnzellen platzen. Ich hänge nun mal ziemlich an ihnen. Immerhin möchte ich nicht so werden wie das Mädchen aus meinem PW-Grundkurs in der 12. Klasse, die mich fragte, warum sich die Flüchtlinge aus Afrika nicht einfach selbst ihre Boote bauen, um nach Europa zu kommen.
Die Angst, die ich jetzt habe, bewegt sich allerdings in einer anderen Kategorie der Ängste. Nicht wie die kleineren banalen Alltagsängste im unteren Bereich der Skala. Eher weiter oben. In den Sphären der Existenzangst und der Zukunftsangst.
Ich habe Angst um meine Zukunft, die Zukunft meiner Kinder, die Zukunft Deutschlands, Europas, der Welt. Ich habe Angst vor dem Gedankengut, dass einem überall ins Gesicht gespuckt wird, sei es von einer alternativen Partei oder einem alten Mann, der die Finger weder vom Selbstbräuner, noch von bestimmten weiblichen Geschlechtsorganen lassen kann.
Toleranz wird heute überschattet von Terrorismus. Sowohl von verbalem, als leider auch vom explosiven. Kriege werden geführt und von denen unterstützt und gefördert, die sich die Freiheit auf die Flagge schreiben.
Ich habe Angst davor aus Angst nicht mehr auf die Straße zu gehen oder die Zeitung aufzuschlagen und zu lesen, dass Menschen aufgrund von Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder Sexualität angefeindet, diskriminiert, misshandelt und in ihrer Freiheit und Selbstentfaltung eingeschränkt sind. Und letzteres passiert leider täglich.
Wir sind alle Menschen. Und unserer Gesellschaft helfen weder die Menschen, die Intoleranz verbreiten und andere Menschen für weniger Wert als sich selbst ansehen, noch die so beliebten Alternativen Fakten, die doch tatsächlich fast schon als ein Hauptwahlprogramm eines regierenden Präsidenten in die Geschichte eingehen könnten.
Gleichberechtigung ist ein Wort, welches nicht nur viel zu selten in Verbindung mit dem Feminismus gebracht wird, sondern generell zu wenig mit dem verbunden wird, was uns ausmacht. Unsere Menschlichkeit. Wir sind alle Menschen mit Gefühlswelten, Körpern, Seelen. Wieso also sind nicht alle gleichberechtigt?
Wir sind alle Menschen. Das wird oft vergessen und wurde schon oft vergessen und ich habe Angst davor, dass irgendwann niemand mehr etwas mit dem Wort "Menschlichkeit" verbindet.
Diese Gesellschaft wird von Innen heraus zerstört. Wegen Macht, Geld, Einfluss, damit man es selbst besser hat als andere und vielleicht auch einfach, weil man es kann. Gleichzeitig wird der Klimawandel für einen Alternativen Fakt erklärt, gegen die Wärme helfen ja immer noch Klimaanlagen.
Also ja. Ich habe Angst. Ich habe Angst davor, alles mit anzusehen. Und diesmal bleibt sogar nicht einmal die Genugtuung zu sagen: "Ich habe es euch ja gesagt".